DIE LANDWIRTSCHAFTLICHE FRAGE

Artikel als PDF: https://phoenixprojekt.org/wp-content/uploads/2024/01/DielandwirtschaftlicheFrage-einekurzeBetrachtung.pdf

„Ungeheure Felder, die ehemals bebaut wurden, sind in große Weideplätze für die Aufzucht von Rindvieh und Schafen umgewandelt worden. Tausende und aber Tausende von Bauern wurden von den Grundbesitzern davongejagt und gerichtlich aus ihrem Besitze gebracht, und ihre Acker, die das Volk ernährten, sind in Wiesen umgewandelt worden, die heute zur Fütterung von Ochsen dienen, das heißt zur Produktion von Fleisch, der Nahrung der Reichen. Der Flächenraum der besäten Erde nimmt immer mehr ab. Im Jahre 1868 bis 1859 waren in ganz England 1 600 000 Hektar als Kornfelder bebaut, heute sind es nur 1 200 000 Hektare. Vor 15 Jahren produzierte England 26 Hektoliter per Hektar, heute nur noch 22 Hektoliter.

Selbst die Pächter, die eine Oberfläche von 50 bis 100 oder mehr Hektar bearbeiten, diese kleinen Bourgeois, die ihrerseits versuchen, Grundherren zu werden, um sich das Leben durch die Arbeit anderer angenehm zu machen, gehen heute zugrunde. Durch die Habgier der Grundbesitzer mit Pachtzins überbürdet, sind sie nicht mehr imstande, ihren landwirtschaftlichen Betrieb zu verbessern und mit der amerikanischen und australischen Konkurrenz Schritt zu halten. Die Zeitungen sind stets angefüllt mit Anzeigen von Versteigerungsverkäufen von Pachtgütern.

Eine Kritik der landwirtschaftlichen Lage kann am besten so zusammengefaßt werden: die große Masse der Bauernbevölkerung wird von ihrem Grund und Boden verjagt und in die großen Städte und Industriezentren gedrängt, wo sich diese Halbverhungerten eine Konkurrenz auf Tod und Leben machen.“

So beschrieb Peter Kropotkin die Situation in England in seinem Beitrag „Die landwirtschaftliche Lage“.

Nun wird mancher sagen, ja, das war damals im 19. Ja, was ist denn heute? Heute sind wir, die Menschen der westlichen Industrienationen, die kleinen Bourgeois, und der Landraub findet heute nicht mehr in England, Deutschland statt, sondern in Argentinien oder Brasilien. Der ehemalige brasilianische Präsident Bolsonaro hat den Urwaldschutz aufgehoben, den Schutz der indigenen Völker aufgehoben, um neue Weideflächen für noch mehr Viehzucht zu ermöglichen.

Wir brauchen nur eine Modernisierung des Textes.

„Ungeheure Flächen, die ehemals Ur- und Regenwald waren, sind in große Weideplätze für die Aufzucht von Rindvieh und Schafen umgewandelt worden. Tausende und aber Tausende von Bauern und indigenen Völkern wurden von den Grundbesitzern davongejagt und gerichtlich aus ihrem Besitze gebracht, und ihre Wälder, die die indigenen Völker ernährten, sind in Wiesen umgewandelt worden, die heute zur Fütterung von Rindern dienen, das heißt zur Produktion von Fleisch, der Nahrung der reichen Industrienationen. Der Flächenraum der Ur- und Regenwälder nimmt immer mehr ab. Pro Jahr werden 60.000 Quadratkilometer vernichtet.

Oder schauen wir uns die europäische Massentierhaltung an. Die europäische Geflügelwirtschaft produziert so große Überschüsse, dass diese in Europa nicht mehr abgesetzt werden können. So werden die Agrarkonzerne subventioniert, um mit diesem subventionierten Fleisch den afrikanischen Kontinent zu überschwemmen. Durch die Habgier der Agrarkonzerne, sind sie nicht mehr imstande, ihren landwirtschaftlichen Betrieb zu verbessern und mit der europäischen Konkurrenz Schritt zu halten. So werden sie gezwungen ihre Länder zu verlassen und nach Europa zu flüchten.

Eine Kritik der landwirtschaftlichen Lage in Afrika, Indien oder Südamerika kann am besten so zusammen gefaßt werden: die große Masse der Bauernbevölkerung wird von ihrem Grund und Boden verjagt und durch Flucht und Vertreibung in die großen Städte und Industriezentren Europas oder Amerikas gedrängt, wo sich diese Halbverhungerten eine Konkurrenz auf Tod und Leben machen.“

Wir sehen also, wir können historische Texte nehmen und müssen sie nur an die heutige Situation anpassen und schon stellen wir fest, dass sich letztlich wenig geändert hat. Nur die Dimensionen haben sich verändert. So hat sich das, was man früher Bourgeoisie nannte und eine herrschende Klasse darstellte, so verändert, dass man es heute die Mitte der Gesellschaft oder die bürgerliche Gesellschaft nennt. Sie wurden für ihre Loyalität zu diesem System belohnt und dürften nun selbst ein bürgerliches Leben führen. Der Leibeigene und der Proletarier leben in fernen Ländern. Es ist nicht mehr der Maschinist in den dunklen Fabriken, der an den Webstühlen in Manchester stirbt, es sind die Näherinnen in Bangladesch oder Indien. Wenn sie aufbegehren, stört es den Europäer wenig. Wenn sie dort erschossen werden oder in den Fabriken verbrennen, gibt es ein mitleidiges Schaudern und am nächsten Tag frönt man wieder dem Konsum.

Denn schließlich wäre die Gefahr für die Kapitalisten ungleich größer, wenn sich in Europa wieder eine proletarische Masse bilden würde, die sich empören könnte. Dann gäbe es zwei Mühlsteine, in denen die Herrschenden diesmal wirklich zermahlen zu werden drohen. Eine revolutionäre Gefahr aus Russland oder China, wo eine neue Bourgeoisie an die Macht gekommen ist und die Zügel fest in der Hand hält, ist ebenso gebannt. China ist das Modell, wie in Zukunft die Herrschenden über die Massen verfügen können. Nicht mehr der Gulag oder das Arbeitslager, nicht mehr der Unternehmer oder der Meister werden den Ungehorsam bestrafen, sondern die Masse selbst, durch soziale Belohnungssysteme trainiert, wird die Aufständischen und Unzufriedenen in ihre Schranken weisen.

Indem wir also die Bourgeoisie der Vergangenheit kopieren und es zulassen, dass die Völker anderer Länder ausgebeutet werden wie einst unsere eigenen Landarbeiter und Kleinbauern und das Proletariat in den Städten Europas, machen wir uns zu Komplizen. Indem wir unseren Kapitalismus als „soziale Marktwirtschaft“ verharmlosen und wegschauen, wenn er in anderen Ländern wütet wie einst bei uns, sonnen wir uns im Wohlstand. Zwar wächst auch bei uns wieder die Armut, aber wir beruhigen uns damit, dass wir auf das Elend der anderen zeigen können, auf deren Kosten wir leben, und beginnen, diese Gruppen als „Sozialschmarotzer“ aus der Gesellschaft auszugrenzen. Wir reden uns ein, dass es nicht unsere Schuld ist, dass diese Menschen aus der Gesellschaft gefallen sind. Es ist allein ihre Schuld und wir waschen unsere Hände in Unschuld.

Wir sollten uns eingestehen, dass unser Wohlstand auf dem Elend anderer Völker beruht.

Wir kennen die Lösung, unser Gewissen plagt uns oft, aber solange wir nicht erkennen, dass es das kapitalistische System ist, dass es das globale Lohnsystem ist, dass es die repräsentativen Regierungen sind, die im Namen des internationalen Kapitals Handelsverträge aushandeln, die die Profite der Konzerne sichern und die Völker der Länder ausbluten lassen, solange werden wir nichts ändern.

Wir haben keine Zeit mehr, auf eine ökologische und soziale Revolution zu warten, wir müssen jetzt und heute damit beginnen.

Dazu gehört auch die Landwirtschaft:

Keine Massentierhaltung

Ökologischer Landbau – Förderung kleiner und mittlerer Betriebe in den Regionen.

Förderung des Genossenschaftswesens

Export und Import von Lebensmitteln müssen für beide Seiten positiv und vor allem ausgewogen sein.

Keine Subventionen für die Agrarindustrie

Enteignung von Investmentfonds, denn Ackerland ist kein Renditeobjekte für arbeitslose Einkommen