Der letzte Blick auf die SPD

Mein letzter Artikel über eine sterbende Partei, die in ihrem Todeskampf noch alle anderen mit sich reißt.

Was mich eigentlich traurig macht, ist, dass ich dieses Thema schon 2004 diskutiert habe, als Gerhard Schröder die SPD völlig zerstört hat, und auch schon in den 80er Jahren, als die Liberalisierung der SPD durch Schmidt begann. Ich war meiner Zeit leider immer Lichtjahre voraus.

Aber auch diese Autoren springen leider etwas zu kurz, denn der Niedergang begann mit Willy Brandt und seinem flammenden Plädoyer „Mehr Demokratie wagen!“. Wir erinnern uns: Die Studierenden beendeten ihre Rebellion auf der Straße und traten den Marsch durch die Institutionen an. Und dann dieser Satz mitten in den Aufbruch, in dem sich Bürgerinitiativen gründeten. Leider bekam die SPD dann Angst vor der eigenen Courage.

„Mögen hätt ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“ , hat Carl Valentin einmal gesagt.

Dann kam Helmut Schmidt, der die Partei sozialliberal ausrichtete.

In diese Zeit fällt auch der Beginn der Ökologiebewegung, die sich aus der Anti-Atomkraft-Bewegung speiste. Hier hat die SPD komplett versagt.

Die Folge: der erste Aderlass. Nur wenige ökologisch denkende Menschen blieben in der SPD. Dieses Thema war und ist nie ein Thema der SPD gewesen.

Aderlass 2 beginnt mit der Liberalisierung der SPD. Interessanterweise schreibt die Kulturchefin der sozialdemokratischen Zeitung „Aftonbladet“, Yrsa Stenius, 1978 über die schwedische Sozialdemokratie

„Das gemeinsame praktische Interesse von Sozialdemokratie und Industrie an wirtschaftlichem Zuwachs habe den Blick der Sozialisten eingeengt und dazu geführt, daß die Arbeiterbewegung auf die Beunruhigung vieler Menschen bezüglich Umwelt, neuer Technologien, psychischer Gesundheit

im großen und ganzen bisher nur dieselbe Antwort gegeben habe wie die ,vernünftige‘ Rechte.“

Doch die neuen sozialen Bewegungen sind nicht mehr aufzuhalten. Die Anti-Atomkraft-Bewegung, die Ökologiebewegung, die Wohnungsnot durch Spekulanten und die sich dagegen wehrenden Hausbesetzer, die Bürgerinitiativen, die sich gründen, um ihren Forderungen vor Ort Gehör zu verschaffen. Die SPD hält an ihrem Kurs fest.

Mit der Linken beginnt der zweite Aderlass, hier setzen auch die Autoren an.

Wie stünde die Sozialdemokratie heute da, wenn sie sich Mitte der 80er Jahre der Umweltbewegung angenommen hätte?

SPD 15,5

Grüne 11

Linke 10%

macht heute 36,5%. Wo wäre Herr Merz mit seinen lächerlichen 22% und die CSU mit ihren 6,5%?

Ein 16-jähriges Kohl-Debakel hätte es nie gegeben.

Es war eben nicht der fehlende Blick auf die „arbeitenden Menschen“, Schulz hatte nur etwas lau und zaghaft die Agenda-Politik kritisiert und die SPD schoss nach oben. Aber SPD-Kanzler sind sakrosankt und unfehlbar wie der Papst. Das Willy-Brandt-Haus hegte Schulz (nach eigener Aussage) ein und verbot ihm geradezu, so zu sein, wie er wollte.

https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_100729044/lars-klingbeil-und-spd-krise-analysiert-experten-rechnen-ab.html?fbclid=IwY2xjawKekvtleHRuA2FlbQIxMABicmlkETBFTzFwNTM0NDl2UWhXa0lGAR7ox3w70NF4WEOGYCu5rpxYQJ8tlUm3BlNKjS6plbptJGSMyULuC7o6_oshRQ_aem_VNGvtVqhg0jxC3ElquMftw

Das Ende der Sozialdemokratie

Dies ist ein Vortrag, den ich vor einem SPD-Ortsverein halten wollte. Es war die Zeit, als die SPD nach der Schulz-Wahlschlappe zum x-ten Mal über Erneuerung nachdachte und mit viel Tamtam, Regionalkonferenzen und einem katastrophal gestarteten Online-Diskussionsforum den Neuanfang einleiten wollte.

Als dann Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten gekürt wurde, habe ich das Projekt SPD endgültig beendet.

Alle von mir verfassten Texte können unter Nennung des Autors öffentlich verwendet werden.

Der Text unten ist nur eine Einleitung, das ganze Dokument mit einer Erweiterung könnt ihr als PDF lesen und runterladen!
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SPD – der Niedergang einer Partei und die vertanen Chancen der Erneuerung

Geschichte, so wird gesagt, wird immer von den Sieger:innen geschrieben. So auch die Geschichte der Sozialdemokratie, auch diese wird letztlich immer von denen geschrieben, die sich in der Partei durchgesetzt haben. Bei meiner wissenschaftlichen Ausbildung an der Sozialdemokratie in Dortmund hatte ich die Möglichkeit mich auch intensiv mit der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung auseinanderzusetzen. Das was ich Euch heute erzählen möchte ist die Geschichte von der Warte der politischen Verlierer:innen in dieser Partei. Aus der Sicht eines Menschen, der mit vielen anderen 1982, schon einmal versucht hat diese Partei zu erneuern und für die Zukunft aufzustellen.
Wir haben in den letzten Jahren eine Fülle von Analysen über den Niedergang der SPD oder dem Prinzip „Volkspartei“ gelesen und gehört. Meines Erachtens greifen sie entweder zu kurz oder sie dienen dazu den Status quo zu bedienen. Es wird auch viel darüber spekuliert, wann es denn begonnen hat. In Godesberg, als man sich vom Sozialismus verabschiedete und den Frieden mit einem vermeintlich domestizierten Kapitalismus geschlossen hatte oder die Agendapolitik von Gerhard Schröder.
Ich denke beide Erklärungsansätze sind falsch. Der Niedergang der SPD beginnt auf ihrem Höhepunkt und liegt in dem Versprechen Willy Brandts „Wir wollen mehr Demokartie wagen!“.
Nicht das dieser Satz falsch wäre, nein, aber er erweckte bei den Menschen eine Hoffnung auf Mitgestaltung der Gesellschaft, der Arbeitswelt, die Chance sich selbst zu verwirklichen. Die verkrustete Gesellschaft, die sich vor ihrer Verantwortung und der Aufarbeitung des bisher größten Verbrechen an der Menschheit, gedrückt hatte, wurde aufgebrochen und ein neuer Wind weht durch alle Bereiche der Gesellschaft. Es ist das Jahr 1969, die Hochzeit der Student:innenbewegung ist gerade ein Jahr zu Ende. Der Großteil hatte sich entschlossen den „Marsch durch die Institutionen“ als politischen Weg zugehen und dann dieser großartige Satz: „Wir wollen mehr Demokratie wagen!“

https://phoenixprojekt.org/wp-content/uploads/2023/10/SPD-Chronologie-eines-Untergangs.pdf